Interview mit Niklas Rickmann vom 4.5.2021
Das Interview führte Jörg Sonnenberger mit Niklas Rickmann am 4.5.2021.
JS: Wer bist Du und wo kommst Du her?
NR: Eine schöne Frage, also mein Name ist Niklas Rickmann. Ich bin 39 Jahre alt. Das hast Du zwar nicht gefragt, aber sage ich mal mit dazu, es ist ja für den Einen oder Anderen immer wichtig. Ich komme aus dem Weltkulturerbe Stralsund direkt gelegen vor der Insel Rügen. Die meisten sollten es kennen, es liegt wie die Insel Rügen in Mecklenburg-Vorpommern.
JS: Du bist schon sehr lange im Schach aktiv. Du hast in der Schachjugend einiges gemacht; ebenso bei uns im Landesverband. Erzähl uns doch mal kurz, welches die wichtigsten Etappen eigentlich waren.
NR: Also gelernt, Klötzchen zu schieben, habe ich mit im Grunde genommen von meiner Mutti. Dies ist eigentlich untypisch, meist lernt man es ja vom Opa oder vom Vater. Bei mir war es aber meine Mutter. Wo die das Schach herhat, weiß ich gar nicht, ich habe nie gefragt. Egal. Wie es dann so ist an fast jeder Schule, ich bin ja noch DDR-sozialisiert, gab es dann auch einen sogenannten Schach-Zirkel. Ich war dann auch tatsächlich in der ersten und zweiten Klasse in diesem Schach-Zirkel Mitglied. Dann kam die Wende und in dieser Zeit der Umbrüche brach vieles weg. So war es dann auch mit Schach-Zirkel, ich weiß nicht mehr warum, aber habe ich den Weg dann erstmal vom Schach weg gefunden, weil da organisationstechnisch einiges im Argen war.
Ich bin dann erstmal zum Fußball gegangen und habe mich da ein bisschen ausgetobt. Ich hatte dann eine Verletzung als ich 15 oder 16 war. Wenn man am Ende eine Fußverletzung hat, die auch ein bisschen länger dauert, dann sucht man eine andere Beschäftigung als immer nur zu lesen. Es macht Spaß, aber ich wollte dann doch was Sportliches machen und habe ich einfach meine Liebe zum Schachbrett wieder gefunden.
Ich habe dann das alte Brett wieder raus gekramt und mein altes Schachbuch, das ABC des Schachspiels. Das wirst Du auch noch kennen. Als ich es wiedergefunden hatte, habe ich mich wirklich wieder ran gesetzt. Das machst du so drei, vier Wochen und findest es gut, aber dann fehlt da irgendwie ein Partner oder eine Partnerin, wo man sich dann einfach mal ausprobieren kann. So bin ich dann einfach damals zum TSV 1860 Stralsund gekommen und habe mich dann da angemeldet.
Tja und dann hatte ich den Vor- und Nachteil, dass ich bereits 16 war. Da ist dann eine Karriere als Spieler nicht mehr ganz so gut, weil man viele goldene Jahre verloren hat. Mein damaliger Übungsleiter und auch Vorsitzender Hans Schumann hat gemeint, der Junge kann auch ein bisschen Verantwortung übernehmen, also z.B. Jugendmannschaft von A nach B mit dem Zug bringen oder die Betreuung bei den Landesmeisterschaften übernehmen. Dann ist es im Grunde genommen so Stückchen für Stückchen so gewesen, dass ich dann mehr und mehr Verantwortung im Verein übernommen habe und dann an Versammlungen teilnahm und irgendwann fragte mich dann Guido [Springer] 2001, ob ich mir vorstellen könnte, der Spielleiter [Jugend] zu werden.
Ich war damals noch ein bisschen grün und hab gar nicht so richtig gewusst, was überhaupt die Aufgabe ist. Ja, der muss irgendwie Turniere oder die Landesmeisterschaften organisieren, aber mein Vorgänger hatte mir auch nicht so viel hinterlassen. Ich konnte also nicht einfach in die Fußstapfen treten. Ich habe versucht, erstmal selber was auf die Beine zu stellen und das scheint mir ganz gut gelungen zu sein. So habe ich dann erstmal den Weg in die Schachjugend gefunden.
Eine Idee von mir war, die getrennten Landeseinzelmeisterschaft zusammenzuführen. Damals war bei uns im Land ja die u10 bis u14 eine Gruppe, die am ersten Wochenende in den Winterferien alleine für sich gespielt hat und eine Woche später gab es dann die u16 und u18. Ich habe gesagt, wir müssen mal so ähnlich wie die DSJ ein Event daraus machen. Eine gesamte Veranstaltung und für alle und so ist es dann 2005 auch in Greifswald das erste Mal dazugekommen. Heute ist dieses Turnier ja wirklich ein fester Bestandteil des Kalenders und Höhepunkt der Arbeit der Schachjugend MV. Dies war also so ein Meilenstein.
Der damalige Vorsitzende Norbert Bauer deutete dann schon an, dass er nicht lange den Vorsitz übernehmen möchte. Einen Stellvertreter gab es damals so nicht und so hatte ich als Spielleiter diese Funktion. Ich wurde dann von Norbert gefragt, ob ich übernehmen möchte und dies habe ich dann 2006 auch getan. Wie das manchmal so im Leben ist, gab es im Erwachsenenverband diese große Führungskrise. Der damalige Präsident Bernd Segebarth hat aus Alters- und gesundheitlichen Gründen abgegeben und Jens Mildner wurde sein Nachfolger. Er stellte fest, dass es einfach nicht so sein Gebiet war und nach einem halben Jahr kam er abhanden, leider. Ich habe es sehr bedauert, weil menschlich ist er eine klasse Person gewesen, so war aber, wie sagt, der Verband dennoch auf ein Mal führungslos. Damals war es so gepaart, dass der Jugendvorsitzende dann parallel auch Vizepräsident war. Nur bei Norbert war dies nicht so, weil er dies nicht wollte. Dann wird der Vize halt gefragt, ob er komplett übernehmen will eine Notsituation. Die Finanzen waren dann auch komplett ungeordnet wie auch viele andere Themen. Das Vereinsregister hatte uns schon angeschrieben. Der Landessportbund hat uns auf dem Kieker gehabt, weil gewisse Förderrichtlinie nicht mehr eingehalten worden sind. Es war richtig viel zu tun und habe ich dann 2007 übernommen und habe das Amt bis 2016 dann auch innegehabt.
Ich hätte gerne die zehn Jahre voll gemacht, so waren es ja nur neuneinhalb Jahre, aber das war von der Wahlperiode nicht anders möglich. Es war auch immer mein Anspruch nicht 20-30 Jahre zu bleiben. Mein Credo ist, dass eine Dekade für einen Verband reicht und danach frischer Wind reinkommen sollte. Als Landespräsident war ich dann natürlich auch in den Gremien des DSB drin. Dort habe ich dann den Kongress 2011 in Bonn erlebt. Es war einer der seltsamsten Kongresse überhaupt. Es wurde alles abgewählt und neu gewählt, was zur Wahl stand. Dann kam die Frage, ob man den Herbert Bastian, der hatte ja damals die Präsidentenwahl knapp gewonnen, unterstützen könnte als Vizepräsident. Ich habe also gesagt, ich bekenne Farbe. Ich habe Herbert damals sehr gerne unterstützt, weil die Ideen von ihm einfach gut waren und dementsprechend für zwei Jahre dann das Amt des Vizepräsidenten Verbandsentwicklung übernommen. Ich hätte dann gerne weiter gemacht, aber vor dem Hintergrund einer familiären Geschichte, sozusagen ein Rosenkrieg mit dem vollen Programm, musste ich eine Entscheidung treffen. Das Privatleben ging dabei vor und die Tätigkeit beim Deutschen Schachbund war nur zweite Priorität. So habe ich dann frühzeitig aufgehört.
Neben diesen Funktionen bin ich nach wie vor für die C-Trainerausbildung zuständig. Das mache ich auch wahnsinnig gerne, Ausbildung ist so ein Schwerpunkt von mir. Zusätzlich mache ich auch das Schulschachpatent der Schulschachstiftung. Ich bin da sowas wie ein Gründungsmitglied in dem Sinne, dass ich diese Lehrgänge ununterbrochen seit 2003 durchführe, als die Stiftung in Zusammenarbeit mit der DSJ dieses Patent initiiert hat. Es macht mir nach wie vor Spaß, anderen beibringen zu können, wie man Lehrmethoden einsetzt. Dies sind also die Bereiche, in die ich überall rein geschnuppert habe.
JS: Du warst doch bei der DSJ schon mal tätig?
NR: Stimmt, man kriegt immer nicht alles zusammen, wenn man so spontan gefragt wird. Genau, bei der DSJ hatte ich, glaube ich, angefangen mit zwei Jahre Kassenprüfer. Ich weiß gar nicht mehr, wie das dazugekommen ist. Das schlägt ja auch immer die Versammlung vor. Es war interessant, mal hinten in die Bücher rein zu gucken.
JS: Und Du warst für die DLM zuständig?
NR: Stimmt, ich war DLM-Referent für zwei Jahre, da hattest Du besser recherchiert als ich gerade. Das war damals in Dresden im Vorfeld der Schacholympiade. Ein Jahr vor der Schacholympiade ging das so langsam los mit den Vorbereitungen und die DLM sollte in Dresden stattfinde; das war ein altes Gebäude, wo wir drin gespielt haben. Das hat richtig gruselig ausgesehen dort, aber es wurde dann doch eine geile Geschichte.
JS: Du machst ja nach wie vor Nachwuchsarbeit, das weiß ich zufälligerweise, weil ich ja mit Dir deswegen auch zu tun habe. Interessanterweise nicht nur in Stralsund. Wie kommt es dazu, dass du auch noch in Anklam aktiv bist?
NR: [Lacht] Mittlerweile auch in Jasmund [auf Rügen]. Ja, wie kommt es dazu? Es ist natürlich familiär; meine beiden Söhne Johannes und Christian sind ja nach der Trennung dann rüber nach Anklam. Irgendwann normalisiert sich das Verhältnis wieder. Die Kinder merken dann natürlich auch, dass der Alte Schach spielt und dann kann man ja reinschnuppern. Irgendwie habe ich es geschafft, die beiden dann auch an das Schachbrett zu binden und dann gab es das große Problem: Anklam-Stralsund sind 70, 80 km Entfernung. Trainingsnachmittag oder -abend geht damit vom Transfer hin und zurück. Aus diesem Grund habe ich dann den uralten Verein [Grün-Weiß] Anklam mal angeschrieben und angefragt, ob sie sich vorstellen können, mal wieder eine Jugendabteilung aufzumachen. Da war erstmal sehr große Skepsis und dann haben wir im Grunde genommen über die Eltern wieder ein bisschen Druck aufgebaut, weil sich nach einem Zeitungsartikel immer mehr Kinder gefunden haben. Sie hatten gesagt, nur wenn es mindestens fünf bis sechs Kinder sind, dann machen wir was. Ja, und dann war da die Frage, wer kann das anfangs begleiten. Ich habe mich dann bereiterklärt, hinzufahren, es war natürlich aus familiärer Sicht absolut notwendig. Mittlerweile ist da jetzt mit Jana Klein eine Trainerin, die das sehr gut mitmacht. Momentan machen wir's digital, natürlich, wie bei fast allen Schachverein. Vor kurzem ist dann auch noch Sassnitz dazugekommen oder Jasmund vielmehr, weil dort die ältere Trainerin nicht so digital fit ist. Da wurde ich dann angefragt, ob die sich mit dazuschalten können. Da scheint sich eine tiefgreifende Kooperation aufzumachen. Ja, also so ist das mit Anklam entstanden mit zwei Jugendmannschaften in Zusammenarbeit mit den Eltern. Ich glaube, das ist ganz wichtig, gerade in den ländlichen Regionen. Anklam hat ja etwas den Ruf, die Schmuddelecke von MV zu sein, aber die Stadt ist mittlerweile sehr schön geworden. Es ist wichtig mit Schach auch Präsenz zu zeigen und das ist eine Leidenschaft von mir. Es ist uns ganz gut gelungen und jetzt sind da noch paar kleinere Stöpsel dazu gekommen, also so im u8-Bereich. Sie sind zwar noch nicht offiziell Mitglied, da muss man ja einen Antrag übergeben und sich sprechen, aber da wird sich noch einiges ergeben im Verein.
JS: Du hast natürlich mit Stralsund insgesamt auch einiges an Turnieren in den letzten Jahren auf die Beine gestellt. Mir persönlich in Erinnerung geblieben ist dabei natürlich die Landesschulschachmeisterschaft, die war für mich so das zweite größere Turnier, was ist nach meiner Schach-Pause erlebt habe. Was hast du so in dem Bereich selber beigetragen und mitgestaltet?
NR: Ja, Schulschach ist so ein kleines Baby von mir. Klingt jetzt doof, aber allein durch das Patent passt das schon. Christian Müller war viele Jahre ja bei uns Schulschach-Referent. Er hat damals 2000 das Turnier in Putbus ausgerichtet, ich weiß nicht, ob Du da noch dabei warst. Ja, das war echt gruselig von der Anfahrtsstrecke, weil es ist ja auf Rügen und gerade für die Westvereine und Schulen äußerst schwierig zu erreichen ist mit dem Zug. Damals waren die Veranstaltungen so chaotisch, da habe ich mir gesagt, dass muss irgendwie ein bisschen besser laufen. Meistens fingen diese Schulschach-Veranstaltung immer mit anderthalb Stunden Verspätung statt. Mal gingen die Veranstaltungen in den Osten, mal in den Westen und irgendwann hatte ich gesagt, 2006 war das, das müssen wir mal nach Stralsund an die Hochschule holen. Wir haben einen riesigen Raum. Es hat uns viel Spaß gemacht, wir hatten gute Rückmeldungen und die Teilnehmerzahl war deutlich nach oben gestiegen. Das liefe also ganz OK. Dann ging es nach Neubrandenburg und andere Städte und ich glaube vor vier Jahren haben wir uns dann mal wieder gemeldet als wir gemerkt haben, dass könnte etwas besser organisiert sein. Wir haben uns beworben und versucht, im Verein wirklich fast alle einzubinden, selbst die älteren Leuten und wenn sie nur kassiert haben. Wir wollten es professionell aufziehen und selbst wenn es im ersten Jahr noch mit ein paar Anfangsschwierigkeiten verbunden war, haben wir im zweiten Jahr den Zeitplan fast eingehalten und im dritten Jahr ihn wirklich gehalten. Das macht schon Spaß, so eine große Veranstaltung zu organisieren, fragt mich aber bitte nicht, wie man ein paar Tage davor funktioniert. Da denkt man an alles, was schiefgehen kann und man wird dann auch gereizt. Das passiert mir auch. Der Matthias Leddin, der ist immer so der zweite Mann im Krieg gewesen, hat hier viel aushalten müssen. Ich glaube, dass uns die Turniere ganz gut gelungen sind und auch wenn man es nicht allen recht machen kann, ist es doch als Event sehr gut angekommen.
JS: Wir haben jetzt gehört, wer Du bist, woher Du kommst und bisschen von dem was Du aktuell und in den letzten Jahren gemacht hast. Schauen wir mal, wo Du jetzt hin möchtest. Du möchtest Vorsitzender der DSJ werden. Was ist Deiner Meinung nach eigentlich die Aufgabe des Vorsitzenden und wie würdest Du Dich als neuer Vorsitzender zusammen mit allen anderen, die so im Vorstand sitzen? Was möchtest Du machen?
NR: Also erst bin ich ja nicht durch Zufall dazu gekommen, sondern durch viele Gespräche bin ich ein bisschen besorgt gewesen über die Entwicklung in den letzten anderthalb bis zwei Jahren innerhalb der DSJ, insbesondere durch die Gräben, die kannte man vorher eigentlich nicht. Dass es Meinungsverschiedenheit gibt, das ist normal und auch gut so und wichtig, aber so diese Gräben, die man immer mehr mitgekriegt hat, das kannte man nicht. Dann kam natürlich der Kassenprüfbericht als i-Tüpfelchen dazu, sowie die Auseinandersetzung mit dem DSB und die medialen Schlachten, die drumherum geführt worden.
So kam es, dass ich dann vor zwei Wochen gefragt wurde, ob ich es mir vorstellen könnte [zu kandidieren]. Ich habe ich mich dann selber gefragt, erstens möchtest du das und zweitens kannst du das auch. Es ist ganz wichtig, dass man sich auch selbstkritisch einschätzt. Die Frage kannst du das, habe ich relativ schnell beantworten können, weil ich einen Erwachsenverband geführt und organisiert habe. Die Führungskompetenz würde ich mir da schon zuschreiben wollen. Ob ich es mir antun möchte und will, da habe ich wirklich erstmal drüber geschlafen und natürlich mit meiner Familie gesprochen und mir selber auch die Frage stellt, was würdest du anders machen? Mein Stil ist immer der, dass ich nicht Spalten möchte. Also klar, man muss auch mal klare Kante zeigen. Aber es mir wichtig, dass man grundsätzlich erstmal bereit ist, mit allen auszukommen, zu sprechen und zuzuhören und ein vertrauensvolles Verhältnis anzubieten.
Das ist, glaube ich, das Erste, was so auf der Tagesordnung stehen wird, also Angebote zu machen, um diese ganzen Gräben zu schütten. Wir wissen ja, dass es ist in der Deutschen Schachjugend eine große Oppositionsgruppe gibt. Die wurde im letzten Jahr, in den letzten anderthalb Jahren immer größer und mittlerweile muss man so einschätzen, dass es weitaus mehr als ein Drittel ist. Manche sagen schon, dass die Hälfte erreicht ist. Weiß ich nicht, kann ich nicht einschätzen. Die sind halt unzufrieden mit den derzeitigen Wegen, die gegangen werden. Ich möchte einfach diese Gräben zu machen.
Das Zweite ist die Transparenz, die sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hat. Gewisse Entscheidung sind halt nicht einfach nur zu offenbaren, sondern eben auch zu begründen, warum sie getroffen werden. Sprechen wir z.B. über die DEM-Vergabe. Die Deutsche Einzelmeisterschaft ist ja das herausragende Event der deutschen Jugend und da werden nahezu zwei Millionen Euro umgesetzt; es ist wahrscheinlich nebenbei noch mehr. Wir wissen gar nicht, weil da eine Wertschöpfungskette hinten dran hängt. Der Punkt ist, wenn wir über zwei Millionen reden, dann muss die Frage auch gestattet sein, wie sind die Verträge ausgearbeitet bzw. ausverhandelt. Das, was [für das Nachvollziehen] zu veröffentlichen ist, muss man dann auch veröffentlichen. Warum werden Preise so kalkuliert? Warum gibt es einen Orga-Beitrag und wofür wird er eingesetzt? Was sind diese freien Zimmer beziehungsweise VIP-Zimmer, über die wir jetzt auch schon bisschen was gehört haben? Das meine ich mit Transparenz, dass wir solche Gestaltungen dann auch transparent begründen und wenn ich Ausrichter suche für die Deutschen Einzelmeisterschaft, dann kann ich nicht mit dem Einen konkret verhandeln und vielleicht auch Rabatte einfordern, und bei dem Anderen gehe ich, lapidar gesprochen, auf die Homepage und kopiere die Preise oder schreibe eine E-Mail à la "Macht mir mal ein kurzes Angebot" ohne weiterzuverhandeln. Das ist für mich auch nicht transparent. Wenn ich eine Veranstaltung am Ort XYZ machen möchte, dann ist das okay, aber ich muss begründen können, warum ich es mache. Es darf kein Feigenblatt sein, indem ich zwei weitere Angebote hinzufüge und sage, dass in der Tabelle nur ein Angebot heraussticht. Das ist für mich nicht der richtige Ansatz.
Der große Punkt, der mich persönlich sehr erschüttert hat, war, als der Kassenprüfbericht durch den Vorstand begründet wurde. Da sind einige Positionen klargestellt worden, auf andere Position wurde nicht weiter eingegangen. Es gab aber diesen einen entscheidenden Satz mit den Grauzonen. Grauzonen werden anders definiert, ich habe jetzt die genaue Formulierung gerade nicht mehr auf der Zunge. Aber ich glaube, Du weißt, was ich meine: Das geht für einen Jugendverband nicht. Wir wollen ja auch Vorbildfunktion haben. Wenn ich mir die Papiere, die in den letzten Jahren auf der Jugendversammlung beschlossen worden sind, ansehe, wie z.B. Nachhaltigkeit, Umwelt - oder Klimabewusstsein, dann ist das alles gut. Aber wenn wir mit Graubereichen argumentieren und dass uns auch so hindrehen, die wir das gerne haben wollen, damit wir 5,50EUR mehr von der Sportjugend kriegen, dann ist das für mich der falsche Ansatz als Vorbildfunktion. Wir können von denjenigen, die wir anlernen oder, sage ich mal, hochziehen nicht erwarten, dass die besser werden, wenn wir es selber nicht sind.
Ich möchte das Finanzgebaren deutlich auf andere Füße stellen mit dem Ansatz Sparsamkeit. Wir reden immer über Mitgliedsbeiträge oder Zuwendungen und Spenden, also auch um Steuergelder die von der Sportjugend und den Ministerien kommen und das ist dann auch unser aller Geld. Steuern zahlt jeder irgendwo, ob direkt oder indirekt. Diese müssen dann bitte auch transparent eingesetzt werden.
Das sind die Punkte, die zuallererst dran sind, also: Brücken bauen und Gräben zuschütten und als inhaltlicher Punkt, und das ist eine ganze Menge Arbeit, neue Mitgliedschaften zu finden und zu diskutieren. Ich habe es heute [bei der zweiten Gesprächsrunde mit den Funktionären] als digitale Mitgliedschaft bezeichnet. Man kann darüber streiten, wie der Arbeitstitel nachher auszusehen hat, aber ich glaube, wir müssen uns als Dachorganisation und Jugendverband zukunftsfest machen. In der Zukunft wird es passieren, dass viele Kinder und Jugendliche nicht mehr den Weg in den Verein oder die Schulschach-Gruppen finden werden, sondern eher über die digitalen Angebote zu erreichen sind. Da muss die Schachjugend irgendwo ein Weg finden und diesen möchte ich gerne mit moderieren, denn alleine ich habe auch kein Allheilmittel. Ich rede nicht über das digitale Angebot der Ausrichtung von Schachturnieren, sondern davon, Gruppe anzusprechen, die wir gar nicht mehr erreichen können und die wir erreichen müssen. Ansonsten schrumpfen wir, das ist einfach ein Fakt. Wer die Mitgliedsstatisten der letzten Jahre gesehen hat, weiß, dass wir offenbar schrumpfen, auch im Jugendbereich. Corona hat jetzt einfach noch mal alles offengelegt. Wir werden sicherlich auch den ein oder anderen Verlust wieder kompensieren, aber wenn wir uns jetzt nicht in den nächsten fünf Jahren auf eine Diskussion einlassen, wie neue Mitgliedsrechte und Mitgliedschaften aussehen könnten, dann verpassen wir den Zoo. E-Sport ist zwar nicht Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund, ist aber trotzdem ein Verein und die greifen momentan in vielen Bereichen mit rein. Denen ist es egal, ob es Schachspieler oder andere organisierte Leute sind. Da müssen wir etwas gegen tun oder vielleicht mal die eine oder andere Partnerschaft eingehen.
JS: Du hast Schulschach bereits erwähnt und auch, dass du dort seit vielen Jahren aktiv bist. Sind die Schulschach-Angebote nicht trotzdem noch der traditionelle und je nach Altersgruppe auch dominierende Weg, um überhaupt zum Schach zu kommen? Kann man das nicht ausbauen? Wie kann man das Ausbauen? Hast Du in dem Bereich Visionen?
NR: Die Basis ist die Nachwuchsarbeit, weil die meisten Kinder und Jugendlichen kommen ja über eine AG in den Verein. Der Klassiker ist, aus 20 Schulschach-Mitgliedern bleiben dann vielleicht drei oder vier für den Verein übrig. Der Rest verteilt sich dann irgendwo anders hin. Das ist wichtig, weil wir ja auch einen Bildungsauftrag mit Schach haben. Nicht umsonst haben wir verschiedene Studien mittlerweile: die Trierer Schulschach-Studie oder die Rostocker Schach-Studie aus unserem eigenen Land. Diesen Ausarbeitungen belegen alle, das Schach für die Bildungsentwicklung enormen [positiven] Einfluss hat. Das müssen wir nach wie vor bespielen, und das heißt auch, dass der Schulschach-Bereich weiter gestärkt werden muss. Das Patent muss noch mal überdacht werden. Meiner Meinung nach ist seit 2003 nicht viel angepasst worden. Es muss auf dem Prüfstand, welche Inhalte wir vermitteln, weil die Gruppen inzwischen auch anders zusammengesetzt sind. Beispielsweise ist Konfliktmanagement viel wichtiger geworden.
Gehen wir jetzt mal einen Schritt weiter bei den Angeboten. Wir haben in jedem Landesverband Schulschachmeisterschaften, bei uns ist es der Schulschach-Cup und die Landesschulschachmeisterschaft. Das wird ja auch gut angenommen und das muss auch weiterhin angeboten werden. Vielleicht kann auch einiges zusätzlich digitalisiert werden. Was ich immer Schade fand ist die dezentrale Ausrichtung der Deutschen Schulschachmeisterschaft. Es ist schon viele Jahre diskutiert worden, ob man alle WKs zusammen schmeißt oder ob man vielleicht auch regionale Zwischenturniere macht. Das heißt der Westen spielt noch mal was aus, der Norden spielt, der Süden spielt; dann kommt erst ein Finale. Ich höre immer seitens des DSB und seitens der DSJ, dass man im Bereich Schulschach etwas bewegen muss. In den letzten 22 Jahren ist da ein bisschen was passiert, aber es gab nie einen Ruck. Es wurde nie diskutiert, ob man z.B. als Schulschach-AG Mitglied im DSB werden kann.
JS: Bei uns im Land können sie Mitglieder der Schachjugend werden?
NR: Richtig, bei uns können sie es. Es wird, glaube ich, aber auch nicht genutzt, vielleicht auch, weil es nicht bekannt ist. Warum wollen wir das nicht bundesweit zulassen? Es gibt gestandene Schulschach-AGs z.B. bei euch in Rostock oder auch in Greifswald, die gibt es zum Teil seit Jahrzehnten. Warum kann man dies über eine Mitgliedschaft nicht organisierter ablaufen lassen? Weiter zum inhaltlichen Bereich Schulschach gibt es ja in den ein- oder anderen Landesverbänden Kooperationen mit den Bildungs- oder Kultusministerien, um Schach in den Nachmittags- oder Ganztagsschulbereich zu integrieren. Das ist ja auch bei uns im Land mittlerweile nach vielen Streitigkeiten und Auseinandersetzung mit den Ministerien angekommen. Es ist aber, ich glaube, Zeit für eine neue Initiative mit der Politik noch mal weiter zu gehen. In Hamburg gab es ja das Projekt, Schulschach als Unterrichtsfach zu integrieren und das ist irgendwie verpufft. Da ist nicht viel passiert und dann kommt halt immer das Argument, dass die Politik wird ja alle vier oder fünf Jahre neu gewählt wird und dann sitzt da ein neuer Bildungsminister. Es ist für mich meistens auch eine Ausrede. Es ist anstrengend, mit Politikern ins Gespräch zu kommen und zu bleiben, dass auch nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber man muss es machen. Wenn man sich vorher schon das Nein gibt, in dem man nicht redet, dann kann da auch nicht viel passieren. Da müssen wir deutlich nach außen selbstbewusst hingehen und sagen, wir wollen, dass das Schulschach weiter an deutschen Bildungseinrichtungen Fuß fasst. Ich will nicht so weit gehen, dass es ein Pflichtfach wird. Meine Frau als gestandene Lehrerin würde mich sonst wahrscheinlich erschlagen. Wir müssen aber zumindest den Versuch, in diese Richtung zu kommen, unternehmen. Schaden tut es auf keinen Fall.
JS: Welche Motivationen hätte eine Schulschach-AG oder z.B. eine Deutsche Schachschule eine wie auch immer geartete Mitgliedschaft in der DSJ anzustreben?
NR: Zum Beispiel, um am Spielbetrieb teilzunehmen. Aktuell sind ja alle Schulschachmeisterschaften geöffnet und das ist auch gut so. Aber man kann auch mal darüber philosophieren, ob wir alle Meisterschaften grundsätzlich immer offen machen wollen für alle Schulschach AGs oder bieten wir lieber einige an, die nur für Mitglieder sind. Sie können dann die Vorteile, die damit verbunden sind, auch genießen. Ich möchte dies gerne mal diskutieren zwischen DSJ und den Landesverbänden, die es letztlich ja auch umsetzen müssen. Es muss dann ja eine Partnerschaft sein zwischen der Schulschach-AG oder Schachschule und dem Verband. Das ist ernsthaft aber noch nie diskutiert worden. Wir haben ja in den Schulschach-AGs das Fünf- oder Sechsfache an Spielern, wenn nicht sogar das Zehnfache an Schachspielern als es Mitglieder in den Verbänden gibt. Das ist ein wahnsinniger Unterbau.
JS: Aktuell haben wir immer die Schwierigkeit zu rechtfertigen, warum eigentlich im Schulschach Geld ausgeben, obwohl das keine zahlende Mitglieder sind. Wir reden ja von unseren Mitgliedsbeiträgen. Es ist umgekehrt natürlich schwierig, Schulen von Turnieren auszuschließen, um sie zur Mitgliedschaft zu drängen. Wie sieht es denn mit dem viel größeren Probleme aus, dass die schach.in-Karte von MV viele weiße Flecken hat? Also zwischen Rostock, Güstrow, Stralsund und Greifswald gibt es einen riesigen Bereich, wo zwar ein paar Seniorenvereine aktiv sind aber niemand Nachwuchsarbeit macht. Ein Erwachsener kann sich ins Auto setzen und 30 km zur nächsten Stadt fahren, aber für Jugendliche oder gar Grundschüler ist das keine Option.
NR: Ja, genau. Es war damals unter dem Präsidenten Herbert Bastian, dass das Vereinssterben auf die Agenda gebracht wurde; das Problem hat sich nur noch verschärft. Nicht nur auf dem Land, auch teilweise in den Städten, gab es eine Verdichtung bei den kleineren Vereinen. Wenn der Vorsitzende oder der Jugendwart ein gewisses Alter erreicht hat und sich dann langsam zurückziehen, dann geht es vielleicht noch drei, vier Jahre gut und dann sind auf ein Mal 20 Leute weg, weil der Verein sich aufgelöst hat oder fusioniert ist. Das passiert häufiger und dadurch entstehen diese weißen Ränder. Ich habe vor ein paar Tagen ein 15 Jahre altes Heft der "En Passant" in der Hand gehabt. Das ist ja unsere Schachzeitung. Da waren Tabellenstände von der Verbandsliga oder damals Landesliga bis zur Bezirksklasse und da gibt es noch Vereine auf der Liste, die gibt es seit Jahren nicht mehr. Da waren die weißen Flecken deutlich weniger und das wird wie gesagt in vielen Verbänden ähnlich sein und ich gebe Dir recht, der Erwachsene hat damit nicht so das große Problem, wenn er weiter organisiert spielen möchte. Er kann sich halt ins Auto setzen und fährt die 30-40 km zum nächsten Spieleabend. Kinder können das nicht. Komischerweise gibt es dafür Schulschachangebote an Orten, wo ich es nie erwartet hätte. Z.B. gibt es eine AG in Altentreptow [bei Neubrandenburg] von einem Schachspieler aus Greifswald. Der unterrichtet dort als Lehrer und macht nebenbei noch Schach. Das kriegt man manchmal gar nicht mit, dass an einer Schule eine Schach-AG stattfindet und deshalb auch die Idee mit den Mitgliedschaften. Wir können eine gewisse Entwicklung leider nicht aufhalten, bestimmte gesellschaftspolitische Prozesse finden einfach nun mal so statt, dass sich Sachen verändern und so. Aber wir können darauf reagieren und neue, digitale Angebote unterbreiten. Zum Beispiel könnten Kinder und Jugendliche die Möglichkeit bekommen, eine direkte Mitgliedschaft in der DSJ und später auch im DSB zu bekommen und damit Zugriff auf einen Trainerpool zu bekommen, der solche Kinder in verschiedenen Gruppe einmal die Woche dann ein bisschen Schachunterricht anbietet. Davon würden wir auch profitieren und dafür will ich gerne auch Geld ausgeben. Es wird definitiv Geld kosten, aber dafür spare ich lieber anderen Ebenen ein bisschen.
JS: Dann lass uns das Thema Schulschach damit abschließen und zur DSJ zurückkehren, weil es ja unser eigentliches Thema ist. Du hast ein paar Kritikpunkte an der Arbeit der DSJ geäußert. Wie sieht es mit dem Gegenteil aus, was gefällt Dir an der Arbeit der DSJ aktuell und was möchtest Du vielleicht sogar noch ausbauen?
NR: Was mir immer gefallen hat an der DSJ ist, dass es ganz viele junge Leute gibt, die für Schach brennen, für die Organisation und das Schachspielen selbst. Das hat mich immer fasziniert und das wird für mich auch weiterhin so blieben. Es gibt immer wieder Jugendliche, die sich ausprobieren wollen und das muss ein Jugendverband immer abkönnen, jeder Jugendverband, egal ob es um Schach oder Radfahrer geht. Die DSJ ist bei der allgemeinen Jugendarbeit sehr gut aufgestellt. Es gibt Seminare für Jugendsprecher, Veranstaltungen für Spielleiter, Weiterbildungen und Qualifizierungsseminare zusammen mit der Deutschen Sportjugend. Das ist ein riesiger Blumenstrauß von Angeboten und diese sollen auch fortgesetzt werden. Man muss natürlich die kritische Frage stellen, ob immer alles in Präsenz stattfinden muss oder kann man auch einiges digitalisiert anbieten. Wir reden ja auch von Fahrtkosten oder auch der Anreisezeit. Der Auftritt der DSJ bei den neuen Media ist sehr professionell gestaltet, ob das jetzt YouTube, Facebook oder Twitter ist. Die Präsenz funktioniert hervorragend und dafür muss sie gelobt werden. Auch in Veranstaltungen wie der Deutschen Einzelmeisterschaft oder der Deutschen Ländermeisterschaft ist viel Qualität drin. Was mir immer positiv einfällt ist die Ideenschmiede, also junge Leute kommen zusammen und dann kann eine gute Idee entstehen und es bleibt nur die Frage, wie es weiter umgesetzt wird. Aber bei allem bitte immer ein offener Umgang ohne Mauscheln hier und da.
JS: Wie können oder sollten wir die Veranstaltung der DSJ präsenter machen? Also nehmen wir das Beispiel der DEM, wenn ich mich nicht gerade als Landesmeister oder Landesmeisterin für dieses Turnier qualifiziert habe, werde ich natürlich nicht hinkommen. Wie kann ich trotzdem für interessierte Jugendliche oder für die Nachwuchstrainer Möglichkeiten schaffen an diesem Turnier teil zu haben, egal, ob jetzt vor Ort oder digital?
NR: Auf der einen Seite gibt ja auch immer die Möglichkeit mit diesen sogenannten Open-Turnieren teilzunehmen, also KiKa-Turnier oder u25-Turnier. Digital ist da auch schon viel passiert, die Homepage bietet eine Großzahl an Information. Die Partien z.B. können immer nachvollzogen werden. Vielleicht sprichst Du aber auch eher den Bereich Marketing/Pressearbeit an. Also auch den Interessentenkreis über die Schachvereine hinaus. Ich weiß, dass in Magdeburg z.B. der Schachgipfel des DSB sehr präsent ist, weil Michael Zeuner das organisiert und irgendwie einen richtig guten Draht hin zu den regionalen Medien hat. Er ist wohl auch dran, dass auf überregionalen Medien auszuweiten. Mit solchen Leute [von den Medien] darf man es sich nicht verscherzen. Man muss genau besprechen, was macht der Michael da? Wie kommt der an diese Personen ran und kann daraus eine Blaupause für andere Austragungsorte wie in Willingen oder Oberhof, oder wo die nächste DEM auch stattfinden wird, werden. Ganz entscheidend ist doch, auf YouTube und den ganzen digitalen Kanälen kann ich viel präsentieren. Ob das immer ehrenamtlich begleitet werden kann, weiß ich nicht. Da kann man mit Finanzmitteln auch Dienstleister beauftragen, die uns dort professionell begleitet. Es gibt ja genug Firmen, die dafür das Know-how besitzen, auch wenn ich es mir nicht ganz günstig vorstelle. Gerade auch während einer DEM oder einer Schulschachmeisterschaft.
JS: Kommen wir vielleicht nochmal zum Thema Deutscher Schachbund. Es hat sich ja jetzt natürlich einiges geändert in einer Art und Weise der Zusammenarbeit. Wie stellst Du Dir vor, dass es weitergehen soll?
NR: Der Deutsche Schachbund ist wie ein Tanker auf hoher See. Er ist zwar nicht in Seenot, aber manchmal manövrierunfähig. Er ist unser Partner und aus meiner Sicht sogar einer der wichtigsten Partner, weil ohne die Finanzmittel des DSB geht gar nicht. Ohne das Geld können wir den Laden dicht machen, kein Personal mehr bezahlen und müssten viele Projekte streichen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der DSB erstmal die Mitgliedsbeiträge bekommt und nicht die DSJ. Er hat am Ende immer erstmal die Hand drauf. Deshalb werde ich nicht nur nach Innen versuchen, die Gräben zu schließen, sondern auch zum DSB die Hand ausstrecken. In den letzten Jahren gab es da einen deutlichen Riss, teilweise auf sehr persönlicher Ebene, obwohl die beiden Protagonisten aus ein und demselben Bundesland kommen. Ich möchte diesen Riss aber nicht an Personen festmachen, sondern an Institutionen. Diesen Riss zwischen DSB und DSJ gibt es aus meiner Sicht auch schon ewig, egal ob die Präsidenten nun Bastian, Schlya oder von Weizsäcker hießen. Die DSJ hat dem DSB immer Trägheit vorgeworfen, umgekehrt warf der DSB der DSJ immer Verschwendung vor. Dann gab es noch die Personalie von Jörg Schulz, das war immer ein großes Thema. Ich glaube, auf solche Spielchen lasse ich mich persönlich gar nicht ein, egal ob es darum geht, solche Belehrungen zu erteilen oder selber entgegenzunehmen. Ich werde immer versuchen, auf der Sachebene zu argumentieren. Menschen, die ehrenamtlich arbeiten und einen Verband führen, müssen auch mit anderen Menschen klarkommen, egal, wie der Präsident oder die Präsidentin heißt und egal, wie schwierig das Verhältnis auch manchmal ist. Es kommt immer auf die Sache an und ich werde nicht ins Persönliche abdriften oder irgendwelche Vorwürfe machen oder Versprechungen machen und später nicht halten. Also sehe ich das Verhältnis relativ entspannt und ich glaube, dass ich mich auch darauf verlassen kann, dass der DSB dort das Angebot für einen Ausgleich und eine faire Partnerschaft annehmen wird.
JS: Wie stellst Du Dir das mediale Auftreten der DSJ in Zukunft vor? Wir haben natürlich über die Veranstaltung und die digitalen Kanäle besprochen. Wie sieht es mit klassischer Pressearbeit aus? Fühlst Du Dich dafür zuständig und siehst Du da die DSJ aktuell gut aufgestellt?
NR: Öffentlichkeitsarbeit und Pressearbeit sind immer strikt zu trennen aus meiner Sicht. Das wird im gewerblichen Umfeld zum Teil ja auch gemacht. Es gibt aus meiner Sicht derzeit keinen Pressesprecher, das ist schade. Jemand der Öffentlichkeitsarbeit macht, ist nicht unbedingt gleich qualifiziert, auch Pressearbeit zu machen. Eine Pressemitteilung muss gut sein, damit sie den Weg auch in die jeweiligen Medien findet. Es wäre auf jeden Fall eine Idee oder eine Anregung von mir, auch aus meinem beruflichen Bereich, eine reine Pressestelle zu schaffen. Ehrenamtlich, weil hauptamtlich können wir uns nicht leisten. Vielleicht ist das später möglich. Der Bereich Pressearbeit wird aus meiner Sicht sehr schwierig bedient. Zu den Schachmedien funktioniert es, auch wenn es die DEM gibt, funktioniert es im regionalen Bereich und so weiter. Aber es reicht halt nicht, um ins Frühstücksfernsehen zu kommen oder in die überregionale Presse. Es fällt die Homepage auf, die sehr gut ist. Bei der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit sind wir gut aufgestellt und viele Verbände können sich dort was abgucken. Es gibt aber Bereiche wie YouTube oder Tiktok, wo man überlegen muss, dort stärker aufzutreten als das was jetzt schon passiert. Aber den Bereich Pressearbeit würde ich tatsächlich ausbauen wollen, ihn aber nur ungern zur Chefsache machen. Ich möchte dann nicht hinterher das Aushängeschild sein, das durch die Presse-Landschaften der Welt geht. Wenn es mal wichtig ist auf jeden Fall, aber ich glaube da sollte es jemanden geben, der nicht der Vorsitzende ist.
JS: Weil Du gerade den Begriff Aushängeschild verwendet hast: Wir hatten die interessante Diskussion bei uns im Land, wie präsent sollte und muss ein Vorsitzender sein. Inwieweit würde beispielsweise die Anwesenheit auf Deutschen Meisterschaften für Dich zum Selbstverständnis eines Vorsitzenden gehören.
NR: Ja, ich habe es auch als Präsident so gelebt, dass es ein Pflichtprogramm gibt, wo man nicht fehlen darf. Wenn man mit 40° Fieber im Bett liegt, ist es was anderes, die Deutsche Einzelmeisterschaft ist natürlich das ranghöchste Turnier und das wichtigste Event und da muss der Vorsitzende einfach präsent sein. Ob er nur die Eröffnung und die Siegerehrung macht oder auch während der ganzen Tage sei mal dahingestellt sein, aber zumindest am Anfang und am Ende sollte ein Vorsitzende einfach dabei sein. Bei der Deutschen Ländermeisterschaft ist es das Gleiche in Grün, es ist ist auch im Grunde das zweithöchste Turnier von der Rangfolge der Titel. Es gibt andere DSB- und DSJ-Veranstaltungen, die ähnlich sind, die Mitgliederversammlung sowieso. Bei den DVMs ist es so, dass diese oft auch mal parallel laufen, da muss der Vorsitzende vielleicht nicht immer direkt da sein und es können auch andere Vertreter vom Vorstand anwesend sein. Die Präsenz eines Vorsitzenden bei verschiedenen Schachveranstaltungen ist wichtig, nicht nur für das Grußwort, sondern vor allem für die ganzen Seitengespräche. Dort erfährt man ja häufig erst, wo es irgendwo klemmt, wenn man durch Zufall mit jemandem spricht. Aus diesen interessanten Gesprächen können dann Probleme und Wünsche erkannt werden. Es wird aber auch keine omnipräsent geben, um Gottes willen, aber ich denke schon, das ist selbstverständlich ist, gerade bei den wichtigen Turnieren und Veranstaltungsort da zu sein.
JS: Hast du noch ein Schlusswort?
NR: Das ist jetzt die schwierigste Frage. Ja, also, wie gesagt, die Kandidatur ist ein Angebot an die Delegierten am Samstag, Ruhe, Vertrauen und Transparenz reinzukriegen. Ich möchte für diese Option werben und letztlich muss sich jeder Schachfunktionär die Frage stellen, ob wir heute das Deutsche Schach und insbesondere die Deutsche Jugendschach verbessert haben. Das ist die Zielstellung von jedem Jugendfunktionär: für unsere Kinder und Jugendlichen das Angebot wieder ein Stückchen verbessert zu haben. Das ist mein Schlusswort.
JS: Damit sind wir dann am Schluss und ich möchte Dir für Deine Zeit danken!